speziell zu den Arbeiten Garbrecht, siehe unter 5.Station fett hervorgehoben !
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"Wenn ich darüber nachdenke, was mich auf meinen vielen Reisen in Europa, Lateinamerika, Afrika, Indien und Asien am meisten beeindruckt hat, so komme ich immer wieder auf die Steine. Steine, Felsformationen in verschiedenen Landschaften, vor allem aber Steine, die etwas mit den Menschen zu tun haben. Denn in allen Zeiten, von den vorgeschichtlichen Jahrtausenden bis in unsere Jahrhunderte, sind Menschen den Steinen begegnet, haben sie als Zeichen gesehen. Sie sind mit Steinen umgegangen, haben sie gesetzt, mit ihnen gebaut und an den Steinorten den Einbruch einer Dimension erlebt, die über sie hinausreicht und vor ihnen da war. Als ich vor Jahren zum erstenmal die Stein-Bilder, die Stein-Fotos von Alfred Garbrecht sah, entdeckte ich eine zusätzliche Dimension im Reden der Steine. Ein Künstler hat sich auf eine besondere Weise den Steinen genähert. Er hat die Steine an den Mittelmeerstränden aufgesucht, sie in ihrer natürlichen Umgebung ihrer besonderen Ordnung gesehen und diese festgehalten. Und er hat nach besonderen Steinen Ausschau gehalten, die Steine gesammelt und mitgenommen. In seiner Werkstatt in Aham hat er diesen Steinen behutsam ein verändertes Gesicht gegeben. Wie in der Natur, so sind auch in der Werkstatt Schleif- und Spaltvorgänge das Mittel der Gestaltung. Ein inneres Bild, eine innere Gestalt werden gleichsam herausgerufen, herausgeholt. Durch den feinen Schliff und das Polieren erhalten die Steine ihr unvergleichliches Glänzen, das wir sonst nur durch das sie überspülende Wasser hindurch beobachten können. In dem die Steine zu Schmuckstücken werden, zusammen mit anderen natürlichen Materialien und Metallen in eine neue Ordnung gebracht werden, gelingt es dem Künstler die Steine in einen neuen magischen Zusammenhang zu bringen, den wir aus afrikanischen oder australischen Steinketten kennen. Wer ein solches Schmuckstück trägt, stellt sich in die magische Traditionskette, die aus frischen Zeiten in unsere Gegenwart führt. Seit unvordenklichen Zeiten haben sich Menschen mit Steinen geschmückt, haben Menschen besonders schöne Steine ausgewählt, die sie dann auch als Amulette um den Hals trugen. Was hat Menschen bewegt, sich so der Kraft der Steine zu bedienen, könnte man fragen und käme bei der Suche nach Antworten auf die vielfältigen Beziehungen, die in allen Kulturen zwischen Mensch und Stein bestanden haben, stieße auf Rituale und könnte von Orakelsteinen, Talismanen, Steinkreisen und Yin Yang Steinen reden. Ein wenig davon wird erlebbar, wenn man im Hause von Herrn Garbrecht vor den Schau-Kästen mit den Steininstallationen, vor den steinernen Brettspielen, den Steinfotos oder Steinbildern steht. Während die Steinschmuckketten, vor allem diejenigen, in denen Edelsteine gelegentlich die natürliche Einfachheit oder Selbstverständlichkeit der Kieselsteine zu überglänzen scheinen, eher sich an Vorbilder anlehnen, wird in den Steinbildern eine ganz neue Steinwelt erschlossen.Vielleicht sind die Steinbilder die genuinste Schöpfung des Künstlers. Er ist auf die Idee gekommen, ins Innere der Steine zu schauen, sie aufzuspalten, sie in Schnitte zu zerlegen und in den Schnitten, mit den Schnitten etwas zu Gesicht kommen zu lassen, was vorher unsichtbar war. In mühevollen Prozessen wird ein Stein aufgeschnitten, wird in ihn hineingeschaut. Und geradezu überraschend werden Strukturen, Strömungen, innere Steinlandschaften sichtbar, die vielleicht Jahrhunderttausende lang unsichtbar waren. Steine werden zu magischen Bildern, zeigen sich von einer vorher nicht gesehenen Seite.Alfred Garbrecht hat gleichsam Stein-Augen entwickelt. Der langjährige Umgang mit Steinen hat ihn so hellsichtig, steinsichtig gemacht, so daß er beim Betrachten der Steine in diese hineinschauen kann. Dem mechanischen Prozeß der Steinöffnung, des Steinschneidens, geht gleichsam die Hineinschau in die Steine voraus. Die Natur zeigt ihr inneres Wesen.Die Miniaturbilder, die entstehen, sind in spaltrauhe Schieferplatten gerahmt. Man mag die Bilder, die entstehen, deuten, aus ihnen Landschaften herauslesen, in ihnen konkrete Natur sehen, Strände, Hügellandschaften, Bergketten. Ich ziehe es vor, sie nicht zu deuten, sie ganz in ihrer geheimnisvollen Eigenart zu belassen. Sie haben es eigentlich nicht nötig, gedeutet, verglichen zu werden. Sie sind von einer so bezaubernden, eindringlichen Schönheit der Farben und Strukturen, daß sie sich nirgendwo anlehnen müssen, von nirgendwoher Anleihen nehmen müssen.Die abstrakten Steinschnittkunstwerke: wie andere natürliche Strukturen haben sie etwas unverwechselbar Eigenes, Einmaliges. Die Gedanken können in diesen winzigen Steinbildern spazierengehen, und mit einmal füllen sie den Betrachter ganz aus. In ihnen stecken eher Seelenlandschaften als Motive aus der konkreten Umwelt. Wieder einmal wird deutlich, daß die Schöpfung eine zusätzliche, unter der Oberfläche liegende oder über sie hinausreichende Wirklichkeit enthält. Auch in den Steinbildern Herrn Garbrechts ist jene unentschlüsselbare Ordnung anwesend, auf die ich bei der Nennung des japanischen Zen-Gartens in Kyoto hingewiesen habe. Die Linien der Schichtungen, die Farbschattierungen, Aufbuckelungen, Schraffierungen und wellenförmig auslaufenden Flächen gehorchen einer Ordnung, die nicht mit mathematischen Formeln einfach zu erschließen ist.Seit kurzer Zeit gibt es die sogenannte Chaosforschung. Sie hat gezeigt, daß das Chaos eine eigene Ordnungform ist. Und weil diese Ordnung eine der Schöpfung innewohnende Ordnung ist, können wir sie wahrnehmen, hat sie für uns eine ästhetische Qualität. Der Künstler übernimmt die Funktion, uns auf das vorher nicht Gesehene hinzuweisen, er entdeckt das Innere und läßt uns, die Betrachter, teilhaben an einem Schöpfungswunder. Wir bedürfen einer solchen Aufschließung, wir bedürfen der Augenöffnung, denn die "ZEIT DER STEINE" wird so auch zu unserer Zeit. In einer ganzheitlichen Betrachtung von Welt und Umwelt schwinden die in einer rationalen Weltauffassung gezogenen Grenzen. Wieder ist eine Möglichkeit gegeben, durch eine künstlerische Anstrengung und Leistung, einen Teil der Schöpfung wahrzunehmen. Der Künstler Alfred Garbrecht hat mit seinen Stein-Kunstwerken uns die Anknüpfungspunkte geliefert, die uns in eine allen Menschheitskulturen gemeinsame Ur-Erfahrung zurückführen. Aus der Stille und Ruhe, die uns in den Steinbildern entgegentreten, kann die Achtsamkeit entstehen. In den Steinen, so glauben z.B. die Japaner, habe sich etwas vom göttlichen Sein der Natur ausgebildet. Deswegen werden sie verehrt und geschmückt. Steine sind von der Natur geschaffene Kunstwerke. Die Kunst von Alfred Garbrecht öffnet dem Betrachter die Augen. Im japanischen Meditations-Garten sitzt der Betrachter vor der Sandfläche und den Steinen. Er läßt die Bewegungen, die Zeichnungen, auf sich wirken. Der Sand bleibt Sand, die Steine bleiben Steine. Doch im betrachtenden Sitzen, in der Einübung, die nicht wohlige Versenkung, nicht stimmungsvolles Hin und Her sind, geschieht die Verwandlung. Plötzlic sind die Abdichtungen des alltäglichen Lebens, die Verkürzungen, die Verhärtungen, die man sich in der Hetze des Alltags angeeignet hat, durchbrochen. Über die verstandesmäßige Wahrnehmung hinaus wird man sich auf einmal einer langgesuchten Ordnung bewußt. Vor allem aber sind da wieder das Leere, das Gereinigte, die klare, abstrakte Form, gebildet aus dem ganz Konkreten. Doch die Leere ist auch die Öffnung, durch die das Wesentliche hereinbricht, so wie in der geheimnisvollen Öffnung des Steins im Küstenland Südwestenglands: Mèn-an-tol. So, wie es im 11. Spruch des Laotse heißt: "aber die Leere zwischen ihnen erst macht sie zum Rad. Aus Ton sind die Töpfe gemacht, aber nur die Leere zwischen dem Ton macht sie zu Töpfen" Und auch dies sagt Laotse: "Übe das Nicht-Handeln: so wird alles geordnet." Ich wünsche Ihnen vor den hier versammelten Steinen und Steinbildern das Erlebnis der geordneten Leere, die Fülle der Schöpfung ist." |